Heute ist es genau 25 Jahre her, dass die Knesset ein Gesetz verabschiedete, das den Weg für zwei nationale Behörden ebnete: die Behörde für jiddische Kultur (נאַציאָנאַלע אינסטאַנצ פֿאַר ייִדישער קולטור) und die Behörde für Ladino (Autoridad Nasionala del Ladino).

Wir haben uns mit Prof. Tamar Alexander, seit 2015 Vorsitzende der Autoridad Nasionala del Ladino, in Verbindung gesetzt, um mehr über die Geschichte dieser Behörde, ihre aktuellen Aktivitäten und kommenden Herausforderungen zu erfahren.

Frau Alexander, lassen Sie uns zurückblicken auf die frühen 1990er Jahre. Was war der politische Hintergrund, der zur Verabschiedung des Gesetzes zur Einrichtung dieser beiden Behörden führte?

Dieses Gesetz ist Ausdruck des bedeutenden Wandels, der sich in der Haltung des Staates gegenüber ethnischen Gruppen vollzogen hat. Als der Staat gegründet wurde, war der vorherrschende Ansatz, vertreten durch David Ben-Gurion, darauf ausgerichtet, eine einheitliche, monolithische Kultur zu schaffen, und eine israelische Kultur mit nur einer einzigen Sprache, nämlich Hebräisch. Dieser Ansatz scheiterte sowohl in gesellschaftlicher als auch in politischer Hinsicht. In den 1970er Jahren setzte ein Veränderungsprozess ein hin zu einem kulturellen Mosaik, das die Bedeutung ethnischer Gruppen und ethnischer Sprachen anerkennt. Dies führte zur Gründung der Behörden für Ladino und Jiddisch. 

In dem 1996 von der Knesset verabschiedeten Gesetz wird die Erhaltung, Dokumentation und Katalogisierung des Sprach- und Kulturschatzes als eines der Ziele der Behörde genannt. Ein weiteres ist die Förderung moderner Werke auf Ladino.
Könnten Sie uns einige der jüngsten Projekte und Aktivitäten der Behörde vorstellen?

Die Behörde stellt die Mittel für einen Ladino-Kurs an jeder der Universitäten in Israel zur Verfügung, vergibt Preise für herausragende Studierende und unterstützt die Veröffentlichung von Büchern sowie diverse andere Projekte. Die Behörde unterstützt 15 Interessengruppen, die im ganzen Land ehrenamtlich tätig sind. Jede Gruppe umfasst zwischen 200 und 2000 „Ladino-Aktivisten“. Sie organisieren Vorträge, Führungen, Treffen und künstlerische Darbietungen. Zum Beispiel organisiert die Gruppe in Haifa jedes Jahr drei Tage lang Aktivitäten auf Ladino am Toten Meer: Dias de Leche i Miél (Tage von Milch und Honig). Jedes Jahr nehmen etwa 5000 Menschen an diesen Treffen teil.

Wir von der Behörde organisieren in Zusammenarbeit mit dem Ben-Zvi-Institut Abendveranstaltungen, die jedes Mal der Kultur einer anderen Gemeinschaft gewidmet sind: Zum Beispiel haben wir einen Abend über die Haketia sprechenden Gemeinschaften in Nordmarokko abgehalten sowie einen über die Juden Bulgariens und über die Partisaninnen, die in Mazedonien, Griechenland und dem ehemaligen Jugoslawien gekämpft haben. Zu jeder Veranstaltung kamen etwa 400 bis 600 Personen.

In den ersten 25 Jahren ihres Bestehens hat die Behörde viel erreicht und der sephardischen Sprache und Kultur neues Leben eingehaucht.
Was sind die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren?

Seit die neue Verwaltung 2015 ihre Arbeit aufgenommen hat, haben wir uns eine Reihe neuer Ziele gesetzt:

  1. Eines ist, die jüngere Generation, also die Kinder und Enkelkinder der Ladino-Sprecher, zu erreichen. Fast alle Sprecher der Sprache in Israel sind nämlich im fortgeschrittenen Alter. Um unser Ziel zu erreichen, haben wir zwei CDs mit Kinderliedern produziert. Klassische hebräische Lieder, die von Prof. Shmuel Refael ins Ladino übersetzt wurden. Die CD trägt den Titel “Yeladino”, was “Kinder des Ladino” bedeutet. “Yeladino 2“ ist gerade erschienen und enthält 20 Lieder. Diesmal haben wir zu der traditionellen Ladino-Schrift in hebräischen Buchstaben auch Ladino in lateinischen Buchstaben hinzugefügt, transkribiert von Moshe Shaul. Wir haben auch zwei Bücher mit volkstümlichen Ladino-Geschichten in einer für Kinder adaptierten und von mir editierten Fassung veröffentlicht. Ein Buch über Makeda, die Stadt der Einfaltspinsel, und ein Buch mit Lobgeschichten über die großen sephardischen Weisen wie Maimonides und Nachmanides. Die Bücher sind zweisprachig: Hebräisch und Ladino. 
  2. Ein zweites Ziel ist es, die allgemeine israelische Öffentlichkeit zu erreichen, anstatt im kleinen Kreis der Ladino-Aficionados zu bleiben. Wir sind daran interessiert, alle Israelis mit unserer Kultur vertraut zu machen. Zu diesem Zweck haben wir zum Beispiel Jahr für Jahr eine Ladino-Aufführung im Rahmen des Habima-Festivals organisiert; zu jeder Aufführung kamen 1000 Menschen. 
  3. Ein weiteres Ziel besteht darin, die Kultur bestimmter ladinosprachiger Gemeinschaften zu fördern. Zu diesem Zweck haben wir, wie bereits erwähnt, eine Reihe von Treffen organisiert, bei denen der Schwerpunkt jedes Mal auf einer anderen Gemeinschaft liegt.
  4. Ein viertes Ziel ist es, enger mit den sephardischen Gemeinschaften in der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Um dies zu erreichen, haben wir auf Initiative von Dr. Eliezer Papo das Projekt der Shadarim ins Leben gerufen, d. h. Vertreter der Ladino-Behörde auf der ganzen Welt. Alle sind Ladino-Aktivisten in ihrer Gemeinschaft. Wir haben Shadarim aus Europa, den USA, Südamerika und den Balkanländern.

Im vergangenen Jahr wurde die Israel National Academy of Ladino gegründet. Sie wird als unabhängiger Zweig der nationalen Ladino-Behörde arbeiten.

Wir sind sicher, dass unsere Ladino-Kultur auch weiterhin florieren wird. Nicht sicher sind wir jedoch, ob Ladino weiterhin eine gesprochene Sprache außerhalb der akademischen Welt sein wird.