Anne Franks Tagebuchaufzeichnungen von 1942 bis 1944 gehören zu den bekanntesten und meistübersetzten Werken der Weltliteratur. Seit der Veröffentlichung des niederländischen Originals im Jahr 1947 unter dem Titel Het Achterhuis sind Übersetzungen in über 70 Sprachen erschienen. 1950 kam die deutsche Übersetzung Das Tagebuch der Anne Frank heraus, zwei Jahre später die englische Fassung Anne Frank: The Diary of a Young Girl.
Die Geschichte der Anne Frank wurde in unzähligen Produktionen auf die Bühne gebracht — und natürlich auch auf die kleine und große Leinwand. In Erinnerung geblieben sind u. a. die Broadway-Produktionen mit Susan Strasberg (1955) bzw. mit Natalie Portman (1997), der Oscar-prämierte Film von George Stevens aus dem Jahr 1959 oder das Doku-Drama Meine Tochter Anne Frank von 2015, in dem die Geschehnisse aus der Perspektive des Vaters Otto Frank geschildert werden.
Hinzu kommen Opern, Musicals, Zeichentrickfilme, Hörspiele, Graphic Novels usw. Jede Adaption der Tagebuchvorlage macht die Geschichte einem neuen Publikum zugänglich und trägt somit zur Erinnerungskultur und -arbeit bei.
Anne Frank als “Vloggerin”
Letztes Jahr haben das niederländische Medienunternehmen Every Media und das Anne-Frank-Haus in Amsterdam (Anne Frank Stichting) ein neues Format beigesteuert: Eine YouTube-Serie, in der Anne Frank das Leben im Hinterhaus mit einer Videokamera dokumentiert — Anne Frank als Vloggerin also.
Die Produzenten Frank de Horde und Tim Vloothuis haben sich bewusst für den Anakronismus einer Videokamera entschieden, da sie Anne auf diese Weise “face-to-face” mit dem jungen Zielpublikum sprechen lassen können. Annes Videotagebuch soll als Brücke zwischen Anne Franks Geschichte und einer neuen Generation fungieren, die mit Smartphones und sozialen Medien aufwächst und die ein YouTube-Video unmittelbar mehr anspricht als ein 75 Jahres altes Buch. Dabei schwingt natürlich die Hoffnung mit, dass die jungen Leute über die Serie an das eigentliche Tagebuch herangeführt werden.
Die 92-jährige Jacqueline van Maarsen, eine Schulfreundin von Anne Frank, sagte über die neue YouTube-Serie: „Mich hat dieses Videotagebuch begeistert. Durch das Austauschen des Tagebuchs durch eine Kamera können sich junge Menschen besser in die Situation von damals hineinversetzen. Ich musste mich anfangs erst einmal an diese neue Idee gewöhnen, aber ich finde es gut, dass Annes Geschichte auf diese Weise in die moderne Zeit übertragen wird.”
In den 15 Folgen der YouTube-Serie liegt der Fokus auf dem Zeitraum März bis August 1944, also auf den letzten Monaten, in denen sich die Familie Frank und ihre Bekannten im Hinterhaus an der Prinsengracht 263 versteckt hielten. Anne fängt mit der Kamera die Stimmung im Hinterhaus ein, filmt die Bewohner und ihre Gespräche, und sie erzählt über sich selbst, ihre Gedanken und Gefühle, über ihren Ärger, ihre Angst, ihr Verliebtsein und ihre Hoffnung. Das niederländische Schauspieltalent Luna Cruz Perez, zum Zeitpunkt der Aufnahmen 13 Jahre alt, spielt die Rolle der Anne Frank mit großem Einfühlvermögen.
Die Serie kann auf dem YouTube-Kanal des Anne-Frank-Hauses angesehen werden. Originalton ist Niederländisch, Untertitel stehen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch, Russisch, Hebräisch und Japanisch zur Verfügung. Vervollständigt wird die Serie durch einige kurze Videos, in denen zentrale Themen und historische Zusammenhänge näher erläutert werden.
TV-Fassung des Videotagebuchs mit zusätzlichen Folgen
Zurzeit läuft im niederländischen Fernsehen (NPO Zapp) eine adaptierte Fassung der YouTube-Serie. Für diese TV-Fassung wurden drei zusätzliche Folgen aufgenommen, die die Zeit nach der Festnahme abdecken. In diesen Folgen sehen die Zuschauer die Geschehnisse nicht mehr durch Annes Videoaufnahmen, sondern gewissermaßen direkt durch ihre Augen.
Diese zusätzlichen Folgen werden um den 4./5. Mai im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt und ab dem Sommer auch auf dem YouTube-Kanal des Anne-Frank-Hauses zu sehen sein.

Quelle: Anne Frank Stichting