Gäbe es einen Kanon der beliebtesten deutschsprachigen TV-Shows, Dalli Dalli wäre zweifelsohne mit dabei. Der Macher und Moderator der Show, Hans Rosenthal, war jahrelang — um nicht zu sagen jahrzehntelang — einer von Deutschlands beliebtesten Showmastern. Bei den vor 1980 Geborenen genießt er gewissermaßen Kultstatus.
Letzte Woche feierte Dalli Dalli 50-Jähriges. Das ZDF sendete aus diesem Anlass eine Jubiläumsshow, die nun — zusammen mit einigen älteren Folgen — in der Mediathek des Senders zur Verfügung steht.
Zwei Leben in Deutschland
Trotz der enormen Beliebtheit des Showmasters „Hänschen Rosenthal“, wie er liebevoll von seinen Fans genannt wurde, wussten die meisten Zuschauer wenig bis gar nichts über den Menschen Hans Rosenthal. Einem größeren Publikum wurde seine Geschichte erst im Jahr 1980 mit der Veröffentlichung seiner Autobiografie Zwei Leben in Deutschland bekannt. Darin schildert er seine zwei Leben in Deutschland, die kaum unterschiedlicher hätten sein können.
Das erste Leben in Deutschland, 1925 bis 1945
Hans Rosenthal wurde 1925 als erstes Kind von Kurt und Else Rosenthal in Berlin geboren. Die deutsch-jüdische Familie führte ein gutes und ruhiges Leben in der Hauptstadt. Vater Kurt arbeitete in guter Stellung bei der Deutschen Bank, Mutter Else kümmerte sich um Hänschen und den kleinen Bruder Gert.
Als die Nazis an die Macht kamen, änderte sich jedoch alles. Der Vater wurde entlassen und starb kurze Zeit später an Nierenversagen, nur 37 Jahre alt. Hans musste ab 1940 Zwangsarbeit für die Nazis verrichten. Ein Jahr später starb auch noch seine Mutter.
Hans und sein Bruder Gert kamen in ein jüdisches Waisenhaus. Aufgrund disziplinärer Probleme musste Hans jedoch nach einiger Zeit das Waisenhaus verlassen. Dieser „Rausschmiss“ rettete ihm das Leben. Denn kurze Zeit später wurde das Waisenhaus aufgelöst und seine Bewohner — darunter sein Bruder — in ein Konzentrationslager nach Lettland deportiert. Hans vergab sich zeit seines Lebens nicht, dass er nicht da war, um seinen kleinen Bruder zu beschützen. Als er viele Jahre später einen Sohn bekam, nannte er ihn nach seinem Bruder: Gert Rosenthal.
Der junge Hans Rosenthal tauchte 1943 unter. Mit der Hilfe dreier Freundinnen der Familie gelang es ihm, sich in einem Schrebergarten mitten in Berlin versteckt zu halten, bis die Russen im April 1945 die Stadt befreiten.
Das zweite Leben in Deutschland, 1945 bis 1987
Nach der Befreiung kehrte Hans Rosenthal dem Land der Täter nicht den Rücken. Er blieb in Deutschland und begann eine Karriere beim Rundfunk.
„Es waren diese drei Frauen aus der Kolonie „Dreieinigkeit“, deren Hilfe es mir bis heute möglich gemacht hat, nach dieser für uns jüdische Menschen so furchtbaren Zeit unbefangen in Deutschland zu leben, mich als Deutscher zu fühlen, ohne Hass ein Bürger dieses Landes zu sein. Denn diese Frauen hatten ihr Leben für mich gewagt“, schrieb Hans Rosenthal in seiner Autobiografie.
In den 1970er und 1980er Jahren wurde Hans Rosenthal mit so ziemlich jedem Preis geehrt, den die deutsche Unterhaltungsbranche damals zu bieten hatte. Er, der seine ganze Familie in der Nazi-Zeit verloren hatte, der sich zwei Jahre lang versteckt halten und dabei ständig um sein Leben fürchten musste, war 30 Jahre später zu Deutschlands beliebtestem Entertainer geworden.
Hans Rosenthal nutzte seine immense Popularität, um Menschen in Not und denjenigen zu helfen, die keine Stimme haben bzw. nicht gehört werden. Der bei Dalli Dalli erspielte Gewinn ging z. B. an Familien, die unverschuldet in eine Notsituation geraten waren. In der Sendung Das gibt’s nur einmal – Noten, die verboten wurden gab er den Musikern und Liedern eine Bühne, die während der Nazi-Zeit verboten waren.
Hans Rosenthal war sozial engagiert und ein Vereinsmensch: Er war begeisterter Fußballspieler und aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde in Berlin und im Zentralrat der Juden in Deutschland.
Nach seinem Tod 1987 gründeten seine Frau und sein Sohn die Hans-Rosenthal-Stiftung, die schnell und unbürokratisch Menschen hilft, die unverschuldet in einen finanzielle Notlage geraten sind.
In der ZDF-Mediathek kann man sich die Jubiläumsshow 50 Jahre Dalli Dalli sowie eine Auswahl alter Dalli-Dalli-Folgen ansehen. Sehr zu empfehlen ist auch dieser Dokumentarfilm: Hans Rosenthal — Das war Spitze!

Sein Markenzeichen: der legendäre “Das-war-Spitze-Sprung”
Leseempfehlungen:
- Zwei Leben in Deutschland, Hans Rosenthal, Lübbe 1980.
- Hans Rosenthal: Deutschlands unvergessener Quizmaster und bewusster, stolzer Jude (Jüdische Miniaturen), Frank Schäbitz, Paul Spiegel und Curth Flatow, Hentrich & Hentrich 2016.