Die Geschichte über den jüdischen Zauberkünstler Jascha Masur, Der kuntsnmakher fun Lublin, wird von vielen als Singers bester Roman angesehen. Der Text wurde 1959 als Feuilletonroman in der jiddischsprachigen New Yorker Zeitung Forverts (דער קונצנמאכער פון לובלין) veröffentlicht. Die englische Übersetzung — The Magician of Lublin — folgte ein Jahr später, die deutsche Fassung von Susanna Rademacher erschien 1967 unter dem Titel Der Zauberer von Lublin

Ob es nun Isaac Bashevis Singers größter literarischer Wurf ist oder nicht, Der Zauberer von Lublin enthält jedenfalls viele der klassischen Themen, mit denen sich der polnisch-amerikanische Nobelpreisträger immer wieder auseinandergesetzt hat: Da ist zum einen der Konflikt zwischen dem traditionellen jüdischen Leben und der modernen liberalen Gesellschaft. Das Sinnieren über die großen Fragen des Lebens im Spannungsfeld zwischen Religion und Wissenschaft. Und dann geht es natürlich um die Freuden und Leiden der Liebe.

In Der Zauberer von Lublin steht der geniale Hypnotiseur und Zauberkünstler Jascha Masur im Zentrum der Singerschen Konflikte. Der in einem traditionellen jüdischen Elternhaus aufgewachsene Jascha kehrt als Erwachsener dem strengen religiösen Leben seiner Vorfahren den Rücken. Er fängt an, in der polnischen Provinz umherzureisen und die Menschen mit seinen Zaubertricks und Illusionen zu unterhalten. Seine Show erfreut sich großer Beliebtheit und schon bald tritt er auf den großen Bühnen auf.

Die Magie ist jedoch nicht die einzige Kunst, auf die sich Jascha versteht. Er ist ein Don Juan par excellence und hintergeht seine Ehefrau mit drei Frauen. Ohne größere Schwierigkeiten gelingt ihm der gefährliche Seiltanz, der Teil seiner Auftritte ist, und der nicht weniger riskante Balanceakt zwischen Eheleben und mehreren parallellaufenden Affären — bis seine neue Eroberung, eine Christin, ihn drängt, zum Katholizismus zu konvertieren und das Land mit ihr zu verlassen.

Doch obwohl er sie liebt und auch gerne sein Glück als Zauberkünstler im Ausland versuchen will, so stellt ihn das Wählen-Müssen zwischen dem Glauben seiner Vorfahren und dem Christentum, zwischen seiner Heimat Lublin und dem Ausland und vor allem zwischen seiner treuen Ehefrau und der „Neuen“ vor ein so großes Dilemma, dass er seine frühere Selbstsicherheit verliert — mit schwerwiegenden Konsequenzen für ihn und seine Nächsten.

Singer ist ein wahrer Meister, wenn es darum geht, Stimmungen hervorzurufen. Seine Haupt- und Nebenfiguren, ihre Charakterzüge und ihr Verhältnis untereinander werden mit größter Detailliebe geschildert. Zudem wird das Bild, das er von der jüdischen Minderheit und den Berührungspunkten mit der christlichen Mehrheitsbevölkerung im Polen des 19. Jahrhunderts zeichnet, nicht nur hohen literarischen Ansprüchen gerecht, sondern hat auch einen großen dokumentarischen Wert.